Victoria Baehr berichtet aus St-Prosper (Québec / Kanada)
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Mein halbes Jahr in Québec – Saint Prosper                                                                                                                  

Hey!!

Mein Name ist Victoria, ich bin 16 Jahre alt und komme aus Hamburg. Seit ca. 1 Monat bin ich nun wieder in Deutschland und würde euch jetzt gerne von meinen Erfahrungen in Québec erzählen.

Erstmals fragt ihr euch bestimmt, warum ich nur ein halbes Jahr geblieben bin. Das hat den einfachen Grund, dass meine Schule schon das G8 System (12 Jahre Gymnasium) hat und ich somit schon mit 15 fahren musste. Deswegen durfte ich dann auch nicht ein Jahr bleiben, weil ich sonst die Klasse hätte wiederholen müssen.

So, jetzt komme ich  zu dem spannenden Teil. J

Alles begann vor fast genau einem Jahr, als ich an meinem Geburtstag den alles bedeutenden Brief von „Team!“ öffnete – deine neue Gastfamilie. Ich kann euch jetzt schon sagen, dass es eines der schönsten Gefühle werden, die ihr jemals hattet. Gleich an dem Abend schrieb ich gespannt meine neue, drei köpfige Gastfamilie an, die aus einer Mutter (Kathy), einem Vater (Renaud) und einer 12 jährigen Tochter (Kelyane) bestand.

Von dem Tag an, näherte sich mein Abflug immer mehr. Ich schrieb regelmäßig mit meinem neuen Zuhause und lernte sie immer mehr kennen. Dabei war dann auch mein online Übersetzer echt zu meinem besten Freund geworden und ich hätte nie gedacht, dass ich in der Lage sein werde, ein Gespräch zu Stande zu bekommen.

Am 13. August war es dann aber auch endlich so weit und das Abenteuer konnte beginnen. Ich stieg voller Vorfreude in den Flieger und konnte es kaum erwarten endlich anzukommen. Ihr denkt wahrscheinlich man heult unglaublich viel, wenn man auf einmal Familie und Freunde für so eine Zeit verabschieden muss, aber das ist wirklich nicht der Fall. Bis zu dem Tag des Abfluges ist man sehr emotional, aber sobald der Abschied vor der Haustür steht, vergisst man all diese Sorgen und die Freude überwiegt den Schmerz.

So. Da saß ich nun. Völlig aufgeregt in dem Flieger und hatte keine Ahnung was auf mich zukommen wird. Als ich dann auch noch in München in die Buisnessclass „geupgradet“ wurde (weil die Economy voll war), platzen bei mir alle Stränge. Ich konnte den Stress auch nur noch etwas runterfahren, indem ich in die Gesichter der anderen Austauschschüler guckte und sah, dass es nicht nur mir so ging.

Als wir dann nach der ewig langen Reise in Montréal ankamen, wollten eigentlich alle nur noch ihre Campfamilie in die Arme nehmen, aber leider wurden wir noch für 2 Stunden vom Zoll aufgehalten. Sobald dann endlich das „ihr dürft gehen“ Kommando freigegeben wurde,  stürzten sich alle nur noch auf die Koffer und liefen raus. Da erwartete uns eine Horde von Menschen mit Zetteln in der Hand, wo der Name ihres Austauschschülers stand (um zu wissen, wo man hin muss).

Von dem Zeitpunkt an, erwarteten uns 2 Wochen Vorbereitungscamp. Dort besuchten wir jeden Tag 3 Stunden Unterricht und machten Aktivitäten wie Besuche zum „Biodôme“, nach Ottawa, an Strände oder zu „Arbre en Arbre“. Am Wochenende verbrachten wir dann Zeit mit der Familie und ich ging mit ihnen Campen, nach Montréal in die Stadt. Shoppen oder aß einfach das typisch québecoisische Gericht „Poutin“ (Pommes mit brauner Sauce und Käse). In diesen 2 Wochen lernte ich zwar nicht viel Französisch, aber ich fand neue, enge Freunde, die genau das gleiche wie ich durchmachten. Außerdem lernte ich nach und nach Québec kennen und fühlte mich somit nicht mehr so unvorbereitet.

Ab dem 25. August begann dann erst das richtige Abenteuer. Von dem Zeitpunkt an, lernte ich eine neue Kultur, neue Menschen, ein neues Land, eine neue Sprache, eine neue Lebensweise, neue Klimaumstände und unglaubliche Landschaften kennen. All dies machte es so einzigartig.

Am Anfang hatte ich zwar meine Schwierigkeiten mit meiner Gastfamilie, aber nach einem ausgiebigen Gespräch über die Probleme, wurde es auch schnell geklärt und wir konnten immer besser mit einander umgehen.

Nach ein paar Tagen fing auch die Schule an. Ich wurde in „Secondaire 4“ eingeordnet und kam somit, als Ausnahme der Austauschschüler, nicht in die Abschlussklasse (weil ich zu jung war).  Da war ich natürlich gleich ziemlich traurig und somit fing es nicht gerade gut für mich an.

Klar war ich aber auch, wie jeder andere, total aufgeregt und traute mich gar nicht aus der Haustür raus. Ich hatte nicht nur Angst vor dem französischen Unterricht, sondern auch davor, nicht akzeptiert zu werden. Da ich auf keinen Fall eine „outsiderin“ werden wollte, sprach ich Leute, die neben mir einen Spint hatten, an, wodurch ich gleich gut integriert wurde. Die fanden es auch noch richtig amüsant, wie ich versuchte zu sagen was ich wollte (mit Händen und Füßen). Das sorgte gleich für Gelächter und mehr Interesse der Schüler. 

Nach einigen Wochen erweiterte sich dann mein Freundeskreis und es begann sich ein Alltag für mich einzuspielen. Von Tag zu Tag durfte ich den Jahreszeitenwechsel beobachten, während ich entspannt zur Schule lief. Es begann wunderbar herbstlich zu werden und die Häuser wurden nach und nach für Halloween geschmückt. Es sah einfach unbeschreiblich schön aus, wie alles rot – braun gefärbt war und die Lichter vor den Häusern blinkten. Irgendwann fiel dann auch der erste Schnee und somit näherte sich der gefürchtete kanadische Winter. Der erste Schnee sah noch richtig schön aus, aber als man dann 5 Minuten durch einen Schneesturm laufen musste, verfluchte man den Winter. Dazu kamen noch -15°C und dein Gesicht erfror bis zu den Nasenhaaren. Mit diesen Temperaturen begann aber auch die Ski Session und ich genoss es, mit meinen Freunden Tagesausflüge zum „Mont-Orignial“ zu machen. Außerdem begannen noch die Aktivitäten an der Schule wie Football, Basketball, Volleyball, Badminton und Krafttraining. Ich fand ganz schnell meine Lieblingssportarten und meldete mich somit für die Schulmannschaft von Volleyball, Basketball und Badminton an. Es war zwar sehr anstrengend, aber nach der 7 stündigen Schule (4x 75 Minuten + Pause) brauchte man einfach Bewegung. Somit war ich dann um 19:00 Uhr Zuhause und fiel nur noch erschöpft auf das Sofa. Um noch etwas mit der Familie zu machen, verbrachte ich die Wochenenden Zuhause und ging ab und zu mit Kathy und Kelyane in die nächste Kleinstadt zum Shoppen oder Kino.

Mit dieser durchgehenden Beschäftigung ging die Zeit verdammt schnell rum und Weihnachten näherte sich immer mehr. Am 24. Dezember stand dann der besondere Anlass vor der Haustür. Ich hatte echt keine Ahnung, wie es sein wird, ohne meine Familie aus Deutschland zusammen zu sein. Aber durch ein wenig „skypen“ mit ihnen, fiel es mir leichter und ich konnte mich wieder auf meine Gastfamilie konzentrieren. Abends packten wir Geschenke aus und fuhren mitten in der Nacht zu der Großmutter (typisch québecois). Es war ein echt schöner Abend und Weihnachten gestaltete sich schöner als erwartet. Die folgende Woche wurde dann oft Essen gegangen, um mit weiteren Leuten das Fest zu feiern. Am 31. Dezember war endlich Silvester und ich ging mit ein paar Freunden feiern. Insgesamt waren es zwei schöne Feiertage, die ich niemals vergessen werde.

Von der Zeit an änderten sich nicht nur die Temperaturen zu -20°C, sondern mir wurde auch immer bewusster, dass die Zeit fast vorbei war. Es vergang echt nur noch wie im Flug. In den letzten Wochen versuchten wir noch so viel wie möglich gemeinsam zu machen (z.B. Eisfischen gehen, Québec City besuchen, etc.). Außerdem überraschten mich noch meine Freunde mit einer Überraschungsparty und mal wieder flossen die Tränen. Sie schenkten mir ein Album mit allen Fotos, die wir gemeinsam gemacht haben.

Ich versuchte einfach nur noch die Zeit zu bremsen, aber es ging nicht mehr. Ich musste meine Koffer packen und mir einreden, dass es vorbei war. Als die Koffer gepackt waren und der letzte Abend anbrach konnte ich nur noch weinen. Ich schenkte meiner Gastfamilie noch ein Abschieds-/Dankbarkeitsgeschenk (ein selbst zusammen geschnittenes Video) und kaum einer konnte sich vor den Tränen beherrschen. Da ich auch nicht schlafen konnte, beschlossen Kelyane und ich im Wohnzimmer zu schlafen. Wir haben uns einfach so verbunden gefühlt, dass keiner den anderen mehr loslassen wollte.

Am nächsten Morgen, dem 1. Februar, lief dann alles total hektisch ab. Wir fuhren schnell und früh los und aßen noch was am Flughafen. DANN...der Moment!! Wir guckten auf die Abflugstafel und mein Gastvater meinte nur noch: „Es ist Zeit für dich zu gehen.“ Wir stellten uns vor den Sicherheitsbereich und nahmen uns nur noch in die Arme. Hierbei konnte ich keine Träne mehr zurück halten. Als ich durch die Sicherheitsbereiche durch war, kam noch mal eine Glasscheibe, wo meine Gastfamilie mich sehen konnte und wir nur noch winken durften. Dann ging ich die Rolltreppen runter und es hieß Abflug. Im Flieger weinte ich noch mal richtig doll und konnte es einfach nicht fassen. Von Montréal bis Hamburg hatte ich zum Glück noch Beistand von anderen Austauschschülern und somit war es auszuhalten. Am heimatlichen Flughafen wartete dann meine Familie völlig gespannt auf mich und ich wurde herzlich empfangen. Trotz all dem, konnte ich es nicht fassen oder realisieren. Es war vorbei......

Aus dieser ganzen Zeit kann man eigentlich nur noch ein Fazit ziehen – jeder, der die Möglichkeit hat diesen Austausch zu machen, sollte sich von nichts abhalten lassen. Es ist eine Erfahrung, die einen nicht nur sprachlich weiter bringt, sondern auch menschlich. Man lernt so viel dazu. Es bleibt einfach eine unvergessliche Erfahrung, die dir niemand mehr nehmen kann. Klar wird jeder von euch es auf eine andere Art durchleben, aber am Ende werdet ihr alle unglaublich froh sein es getan zu haben. Ich hoffe ich konnte euch mit diesem Bericht etwas dazu bewegen all euren Mut zusammen zu nehmen und diesen bedeutenden Schritt zu machen. Er ist es Wert!!!

 „Until you spread your wings, you’ll have no idea how far you can fly.“
 

Viel Glück!!!

Victoria Baehr

 

Fotos zu diesem Bericht

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