Marlene Starke berichtet aus Montréal (Landesweit / Kanada)
Besucht uns auf:

Meine 5 Monate in Kanada zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. In so einer kurzen Zeit kann doch mehr passieren, als man denkt. Aber fangen wir am besten ganz am Anfang an:

Als ich mich entschieden hatte, nach Quebec, also ins französisch-sprachige Kanada zu gehen (der Grund dafür war ganz einfach: ich wollte französisch lernen… und Frankreich war zu nah) hatte man mir 3 verschiedene Städte und die dazugehörigen Schulen zur Auswahl gestellt, und ich habe mich schließlich nach vielen Überlegungen dazu entschieden, in einen kleinen Ort namens Mont-Tremblant, etwa eine Stunde nördlich von Montreal zu gehen.

Wie sich herausgestellt hat, war das genau die richtige Entscheidung, denn sonst wäre ich nicht in die Gastfamilie gekommen, in der ich dann war, und macht euch bitte keine Illusionen: mit eurer Gastfamilie könnt ihr nur noch Pech haben, die Beste Gastfamilie der Welt hatte ich nämlich schon.[br]
Meine Gastfamilie besteht aus meiner Gastmutter, Yvette, meiner großen Schwester Catherine, die zwar 23 ist aber noch zu Hause wohnt, und Simon, 26, der schon ausgezogen ist. Was genau an ihnen so toll ist, kann ich auch nicht sagen, aber Tatsache ist, dass sie mich von Anfang an wie eine Tochter bzw. kleine Schwester aufgenommen haben und ich mich wirklich wie in meiner eigenen Familie gefühlt habe.

Besonders dankbar war ich ihnen gleich in der ersten Woche, nachdem mein erster Schultag einfach nicht sehr gut gelaufen war. Mein Pech war, dass ich in einer Woche angekommen bin, wo gerade Prüfungen waren, sodass alle sehr beschäftigt waren. Die beiden Schüler, die mir die Schule ein bisschen zeigen und mir helfen sollten, haben mich gleich nach der ersten pause im Stich gelassen, weil sie sich um andere Projekte kümmern mussten. Deshalb war ich bei dieser riesigen Schule und ohne Plan erst mal völlig verloren. Ich habe noch nicht mal nach der letzten Stunde den richtigen Ausgang gefunden.[br]
Das andere Problem während der ersten paar Tage in der Schule war, dass ich die anderen Schüler einfach nicht verstanden habe. Die Lehrer, das ging meistens noch, immerhin hatte ich vorher 6 ½ Jahre Französischunterricht, aber die Schüler haben einfach zu schnell und vor allem zu umgangssprachlich gesprochen, das québécois unterscheidet sich doch ziemlich vom Französisch.

So kam es also, dass ich am Wochenende nach der ersten Schulwoche, als ich zu allem Übel auch noch allein zu Hause war weil Yvette und Catherine arbeiten mussten, einen richtigen Heimweh-Anfall hatte. Aber keine Panik, bei dem einen ist es auch geblieben, denn danach wurde alles sehr schnell besser.[br]
Ich habe mich an die Sprechweise meiner Mitschüler gewöhnt und habe gelernt, zu welchem Ausgang ich raus muss um nach Hause zu kommen. Ich habe tolle Freunde gefunden, und eine zweite Familie, und Quebec ist wirklich wunderschön, weshalb ich schon ziemlich traurig darüber bin, dass ich in zwei Wochen wieder nach Hause muss.

Ein großes Glück für mich war allerdings, dass ich in die concentration musique an der Schule gekommen bin, dass heißt jeden Tag Musikunterricht etc. Zum einen hat mir das sehr viel Spaß gemacht, zum anderen hatte ich dadurch Leute, zu denen ich dazugehörte, nämlich die anderen aus meinem Musikkurs. Dort habe ich die meisten meiner Freunde gefunden. Hier also ein guter Rat: man muss sich, wenn man nicht in so einem speziellen Zug in der Schule ist, unbedingt eine AG oder so etwas suchen, um Kontakt zu den anderen aufzubauen. Und das ist gleich das Nächste: man muss auf die anderen zu gehen, und nicht erwarten, dass sie zu einem kommen.[br]
Denn obwohl ich schnell Freunde gefunden habe, hat es doch einige Zeit gedauert, bis ich auch außerhalb der Schule (sprich am Wochenende, denn die Schule geht bis um 4 Uhr) mit ihnen was unternommen habe.

Ein unvermeidliches Thema, wenn es um Kanada geht: das Wetter. Als ich am 1. Februar angekommen bin, war alles weiß (glaubt mir, das war ein Schock als ich ein paar Monate später entdeckt habe, wie die Landschaft wirklich aussieht…). Ich habe mich sehr darüber gefreut, denn in Deutschland hatte es vorher nur sehr wenig geschneit, und der Schnee war ja auch einer der Gründe, wieso ich nach Kanada wollte. Als aber dann Ende April der letzte Schneesturm durch war, hatte ich auch kein Problem damit, und habe mich gefreut, dass der Sommer sehr schnell gekommen ist (zwei Wochen danach waren es schon 25 grad). Und jetzt, Mitte Juni, ist es richtig heiß hier, um die 30 grad, und ich kann jeden Tag in einem der Tausend Seen hier baden gehen.

Ja, von Seen gibt’s hier Unmengen, ebenso wie von Wald. Als wir von dem Flughafen in Montreal nach Mont-Tremblant gefahren sind, hat mich das erst mal erschlagen, egal wo man hingeschaut hat Bäume (und Schnee…).

Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich froh bin, mich doch noch entschieden habe, für ein halbes Jahr ins Ausland zu gehen, was vorher zeitweise gar nicht so sicher war, weil mir plötzlich soooo viele Dinge eingefallen sind, die passieren könnten, während ich weg bin. Um ganz ehrlich zu sein: Soweit mir meine Familie und meine Freunde in Deutschland mir erzählt haben, habe ich nichts schwerwiegendes verpasst, und was die Schule angeht: wie viel ich da nachholen muss, werde ich erst sehen, wenn ich wieder zurück bin, aber auch das wird noch machbar sein.[br]
Natürlich freue ich mich, meine Freunde in Deutschland wieder zu sehen, aber ich bin auch sehr traurig, wenn ich meine Freunde hier in Kanada am nächsten Freitag beim Abschlussball zum letzten Mal sehe, und ich hoffe sehr, dass wir den Kontakt aufrechtbehalten können.

Euch kann ich jetzt nur noch mal einen Rat geben: Wenn ihr irgendwelche Zweifel habt, vergesst sie und tut´s, so eine Chance bekommt ihr nie wieder!!

Marlene Starke